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Sprache und Geschichte

Sprache

Das wesentliche Merkmal sorbischer Volkszugehörigkeit und Identität ist die sorbische Sprache. Obersorbisch (hornjoserbšćina) wird heute in der Oberlausitz und Niedersorbisch (dolnoserbšćina) in der Niederlausitz gesprochen. Während das Obersorbische dem Tschechischen und Slowakischen näher steht, ist das Niedersorbische dem Polnischen ähnlicher. Im sorbischen Siedlungsgebiet in der Lausitz fallen zweisprachige Ortsschilder und Bezeichnungen an öffentlichen Gebäuden in deutscher und sorbischer Sprache auf.

Der Kern des obersorbischen Gebiets, in dem das Sorbische Alltagssprache ist und von der großen Mehrheit der Bevölkerung genutzt wird, sind dabei die Gemeinden Crostwitz / Chrósćicy, Ralbitz-Rosenthal / Ralbicy-Róžant, Panschwitz-Kuckau / Pančicy-Kukow, Nebelschütz / Njebjelčicy und Räckelwitz / Worklecy sowie Teile der angrenzenden Gemeinden Neschwitz / Njeswačidło, Puschwitz / Bóšicy und Göda / Hodźij. Ein weiteres Zentrum ist die Gemeinde Radibor / Radwor. 

In der Niederlausitz kann von einem stabilen Kerngebiet in dieser Form nicht mehr gesprochen werden. Die meisten Niedersorbisch-Muttersprachler findet man jedoch in der kreisfreien Stadt Cottbus und den umliegenden Gemeinden.

In einem Streifen von Bad Muskau / Mužakow, im Osten über Schleife / Slepo bis nach Hoyerswerda / Wojerecy im Westen werden die sogenannten sorbischen Übergangsdialekte gesprochen. Sie unterscheiden sich von beiden Standardsprachen mitunter erheblich.

Das Institut für Sorabistik / Institut za sorabistiku an der Universität Leipzig ist das einzige Institut in Deutschland, an dem Lehrer für sorbische Sprache und Literatur in Ober- und Niedersorbisch und Sorabisten ausgebildet werden.

Der Domowina-Verlag GmbH / Ludowe nakładnistwo Domowina – gibt Bücher, Zeitungen/Zeitschriften, Schulbücher und Neue Medien in obersorbischer, niedersorbischer und deutscher Sprache heraus.

Das WITAJ-Sprachzentrum / Rěčny centrum WITAJ ist eine eigenständige Abteilung der Domowina. Es fördert die breite Anwendung der sorbischen/wendischen Sprache in der Ober- und Niederlausitz. Dazu gehört, dass diese in Kindergärten und Schulen lebendig und authentisch vermittelt, insbesondere jedoch gesprochen und gepflegt wird. Das WITAJ-Sprachzentrum ist verantwortlich für die Entwicklung und Herausgabe zeitgemäßer und attraktiver Lehr- und Lernmittel in sorbischer/wendischer Sprache.

Das Sorbische Institut / Serbski institut mit Sitz in Bautzen und einer Arbeitsstelle in Cottbus erforscht Sprache, Geschichte und Kultur der Sorben in der Ober- und Niederlausitz in Vergangenheit und Gegenwart. Es archiviert die Materialien und macht sie der Öffentlichkeit zugängig. Mitarbeiter des Instituts führen auch Lehraufträge an Universitäten und Hochschulen aus.

Die Sorben in der Lausitz zählen zu jenen elbslawischen Stämmen, die ab dem 6. Jahrhundert in das Gebiet zwischen Oder und Elbe / Saale einwanderten. Obwohl seit dem 10. Jahrhundert deutscher Obrigkeit unterworfen, konnten sie ihre sprachliche und kulturelle Identität bis in die Gegenwart hinein erhalten.

Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelte sich u.a. mit dem Druck des Neuen Testaments in obersorbischer Übersetzung sowie in Niedersorbisch eine jeweils eigenständige Schriftsprache. Ebenso entstanden − u. a. mit Gründung des Wendischen Seminars in Prag, das der Ausbildung sorbischer katholischer Priester diente − Institutionen, die sich der Förderung und Entwicklung der sorbischen Sprache, Kultur und Bildung zuwandten.

Im frühen 19. Jahrhundert erwachte unter dem Einfluss von Aufklärung und Romantik sowie des sich neu entwickelnden Nationalbewusstseins anderer slawischer Völker auch das nationale Bewusstsein der Lausitzer Sorben. 1847 wurde die erste wissenschaftlich-kulturelle (gesamtsorbische) Gesellschaft gegründet, die Maćica Serbska. Sie nahm sich der kulturellen und wissenschaftlichen Belange des sorbischen Volkes in vielfältiger Weise an.

In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich ein relativ breites Pressespektrum, es erschienen wissenschaftliche und belletristische Publikationen. 1912 schlossen sich die sorbischen Vereine im Dachverband Domowina zusammen, um dem anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Druck sowie der Verdrängung der sorbischen Sprache und Kultur (Germanisierung) zu begegnen.

In der Zwischenkriegszeit bemühten sich die Sorben um die Verwirklichung der in der Weimarer Verfassung verankerten nationalen Rechte (Artikel 113). Es kam zu einem Aufschwung in Literatur, Kunst, Musik und Wissenschaft. 1937 wurden sorbische Kultur und Sprache durch ein Verbot der nationalsozialistischen Führung und Ausweisung sorbischer Lehrer und Geistlicher aus der Lausitz praktisch völlig aus der Öffentlichkeit verbannt.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges verabschiedete der Sächsische Landtag 1948 das »Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung«, das neue, stabile Strukturen im Kulturleben ermöglichte. Nun begann eine staatliche Förderung sorbischer Schulen sowie neu gegründeter sorbischer bzw. sorabistischer Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen (z. B. Theater, National-Ensemble, Verlag, Universitäts- und Akademie-Institut). Komponisten und Maler wurden in einigen Fällen mit ihren Werken über nationale Grenzen hinaus bekannt. Trotz materieller Unterstützung schritt aber in der DDR-Zeit die ethnische Assimilation fort. Teile des sorbischen Siedlungsgebiets wurden im Interesse einer extensiven Braunkohlenförderung zerstört, restriktive Verordnungen im Bildungswesen schränkten die Anwendung und Bewahrung der sorbischen Sprache und Kultur ein. Die Domowina als Dachorganisation der Sorben passte sich den politischen Gegebenheiten und Zielsetzungen der DDR an und setzte sich für den »sozialistischen Aufbau« ein. Dies hatte negative Auswirkungen auf die Bewahrung der sorbischen Sprache und Kultur.

Nach der Wende orientierte sich die Domowina als Interessenvertretung der Sorben strukturell und inhaltlich neu. Der Schutz der Rechte der Sorben wurde auf europäischer Ebene, auf Ebene der Bundesrepublik Deutschland und auf Ebene des Freistaates Sachsen sowie des Landes Brandenburg festgeschrieben. Damit wurden Rahmenbedingungen geschaffen, um die sorbische Sprache, Kultur und Überlieferung zu bewahren und zu fördern.

(Quelle: Sorbisches Institut)

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